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13.06.2024

Shalompreis 2024 an Jeevika verliehen

Shalompreisverleihung. Foto: Christian Klenk

Die Arbeitskreis Shalom bei der Preisverleihung an Kiran Kamal Prasad (Mitte mit Urkunde) an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Foto: Christian Klenk

Eichstätt - Kiran Kamal Prasad, der Gründer der Organisation Jeevika, nahm am Sonntagnachmittag, 9. Juni. im vollbesetzten Holzersaal der Sommerresidenz in Eichstätt den Shalompreis 2024 entgegen. Gewürdigt wurde Prasad für sein herausragendes Engagement für die Rechte von Menschen, die in Schuldknechtschaft leben.

Jeevika ist eine Bewegung, die 1993 im südindischen Bundesstaat Karnataka entstand. Jeevika ist ein Akronym und bedeutet so viel wie "Leben ohne Knechtschaft". Wie der Preisträger in seiner Dankesrede sagte, ist es die Vision der Organisation, eine gerechte Gesellschaft zu ermöglichen. Dass Menschen 2024 in Sklaverei ähnlichen Verhältnissen bis zu 22 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche arbeiten müssten, dass auch Kinder zu diesem Dasein im Elend gezwungen würden, sei für viele kaum vorstellbar. Prasad führte aus, dass das Kastensystem, das tief in der indischen Gesellschaft verankert sei, Angehörigen der Dalit, früher "Unberührbare" genannt, und der Indigenen (Adivasi), die Würde abspräche. Dabei sei das Kastensystem im Denken und Handeln in allen Gesellschaftsschichten und bei allen Religionsgemeinschaften in Indien tief verwurzelt.

Die von Jeevika befreiten Zwangsarbeiter stammten meist aus landwirtschaftlichen Betrieben. Schuldknechtschaft gibt es auch in Betrieben wie Ziegeleien, in Steinbrüchen, der Textilindustrie und in Kaffeeplantagen.

Ziel sei es, den Menschen zu ihrem Recht zu verhelfen. Denn seit 1975 ist jede Form von Zwangsarbeit in Indien verboten. Die Eliten des Landes, meist Angehörige höherer Kasten, setzten die Gesetze aus Eigeninteresse nicht durch. Eine Kultur der Verleugnung präge die Gesellschaft, so der Anthropologe und Lehrer Prasad.

Er wies darauf hin, dass es zwar eine Schulpflicht gebe, aber die Kinder der unteren Kasten und der Indigenen hätten nur die Möglichkeit, auf staatliche Schulen zu gehen, die meist sehr schlechten Unterricht böten. Zudem müssten viele die Schule nach ein, zwei Jahren verlassen, um zu arbeiten. In Schuldknechtschaft geraten die Menschen, weil sie zum Beispiel wegen einer Beerdigung, einer Hochzeitsfeier oder wegen Krankheit Schulden aufnehmen müssten. Die Geldgeber verlangten horrende Zinsen und ließen die Schuldknechte im Unklaren über die Dauer der Abzahlung dieser Schulden. Frauen würden nicht selten Opfer sexualisierter Gewalt.

Die wichtigste Strategie seien Bewusstseinsbildung und Organisation sowie Vernetzung.

Tamara Enhuber, Soziologin und Promotorin für global verantwortliches Handeln, die die Laudatio auf den Shalompreisträger hielt, schilderte, wie Jeevika vorgeht. Fast alle Zwangsarbeiter und Schuldknechte gehören den unteren Kasten oder den Indigenen an. Die Betroffenen selbst organisierten sich und informierten andere über ihre Rechte. Dabei gingen sie sehr vorsichtig und behutsam vor. Wichtig sei die Gründung von Gewerkschaften, in denen sich die Menschen gegenseitig unterstützten und ihre Rechte einklagten. Empowerment von Frauen sei ein wichtiger Bereich der Arbeit von Jeevika. Die Realität der Schuldknechte sei oft von außen nicht sofort sichtbar, da sie sich als gewöhnliche Lohnarbeiter ausgeben würden. Sie beschäftige sich schon sehr lange mit der Thematik und sei geschockt gewesen als sie Menschen, die in Schuldknechtschaft leben mussten, sah. Schon ihr äußeres Erscheinungsbild, wie die Menschen in Lumpen gekleidet, mit mattem und angstvollem Blick arbeiteten, habe sich tief bei ihr eingebrannt. Umso beeindruckter sei sie von der Arbeit von Jeevika. Die aus dieser Form der Zwangsarbeit -bonded labour- befreiten Menschen seien selbstbewusst und hätten gelernt, für ihre und die Rechte der Anderen zu kämpfen.

Kiran Prasad zeigte sich überglücklich über die Auszeichnung. Sie gelte nicht ihm, sondern allen bei Jeevika. Der Preis trage dazu bei, dass das Thema Schuldknechtschaft national und international stärker wahrgenommen würde. Dies führe zu vielen notwendigen Interventionen in der Politik. Finanzielle Mittel würden dringend benötigt, um viele der Vorhaben realisieren zu können. Für die Schulen, insbesondere Abendschulen, in denen die ehemaligen Schuldknechte lernen könnten, würden Laptops und Tablets benötigt. Für eine Datenbank zum Thema Sklaverei und Kastensystem, die die Organisation erstellen möchte, brauchten sie Bücher, die zu diesem Thema erschienen sind. Es sei ein bisher einzigartiges Studien- und Forschungszentrum geplant.

In seinem Grußwort sagte der Schirmherr der Shalomaktion, Oberbürgermeister Josef Grienberger, wie wichtig ehrenamtliches Engagement sei. Das Recht auf freie Arbeitswahl sei ein hohes Gut.

Die Präsidentin der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt erläuterte in einer Interviewsituation mit den beiden Moderatorinnen der Veranstaltung, was faire Universität heißt. Sie sprach vom Austausch der Studierenden, davon dass zum Beispiel Start-Ups von Absolventinnen in Ländern Afrikas durch die Förderung der Katholischen Universität entstanden seien. Die Universität kaufe Produkte, die unter fairen Bedingungen hergestellt worden seien.

Der Leiter des Referats Weltkirche des Bistums Eichstätt, Gerhard Rott, begrüßte den Gast mit einer Blumengirlande. So wie er das bei seinen Besuchen in Indien jedes Mal erlebt habe. Das Bistum Eichstätt ist seit 1955 mit dem Bistum Pune partnerschaftlich verbunden. Seit vielen Jahren ist das Bistum Spender des Shalompreises. Rott entzündete mit dem Preisträger und Gästen eine Lampe des Friedens und erinnerte an die gemeinsame Verantwortung aller für diesen.
Musikalisch durch den Abend begleiteten die Studentinnen Angelina Kwoczalla, Gesang und Ulrike Hofbeck am Klavier.

Am Morgen stand der Gottesdienst auf dem Frauenberg ganz im Zeichen der Shalompreisverleihung. Hochschulpfarrer Pater Stefan Weig wies in seiner Predigt auf das im Alten Testament beschriebene Jubeljahr hin. Alle fünfzig Jahre wurden Menschen, die in Schuldknechtschaft geraten waren, aus dieser befreit.  Dieses Jahr brachte jeweils den Erlass aller Schulden mit sich: Wer sich verschuldet hatte und in Schuldsklaverei gekommen war, wurde freigelassen, und wer Grund und Boden verkaufen musste, erhielt ihn zurück. Dass das Kastensystem in Indien auch unter Christen das Leben der Menschen prägt, verdeutlichte der Salesianerpater und berichtete von eigenen Erfahrungen in seiner Ordensgemeinschaft bei Aufenthalten in Indien. Der Shalompreisträger hatte Gelegenheit, die Organisation Jeevika vorzustellen.

Der seit 1981 vergebene Shalompreis ist einer der höchstdotierten Menschenrechtspreise in Deutschland. Das Preisgeld wird ausschließlich aus Spenden verschiedener Träger, Organisationen und Privatpersonen zusammengetragen. In den vergangenen Jahren betrug es jeweils rund 30.000 Euro. Für Jeevika kann noch bis Ende September 2024 gespendet werden. Die neue Kontoverbindung lautet:
Diözese Eichstätt – Spendenkonto, IBAN DE 52 7509 0300 0007 6521 00
Verwendungszweck AK Shalom.

Weitere Informationen unter www.ak-shalom.com.

Quelle: Arbeitskreis Shalom für Gerechtigkeit und Frieden