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04.08.2024

"Ich bin so frei!"

Bilder: Irene Keil

Eine ganze Woche lang hing ein roter Drache - das Symbol für unsere „Leichten Exerzitien“ - in der Eibacher Johanneskirche. In diesen Tagen sind die zehn Teilnehmenden mit Freiheits-Worten aus der Heiligen Schrift umgegangen. Ich hatte diese Verse sorgsam ausgewählt und schön gelayoutet. Beim Zusammenstellen der Materialien waren sie nochmal durch meine Hände gegangen. - Und trotzdem braucht es noch einen zusätzlichen Schritt, damit das Wort auch ins Herz geht: den der Betrachtung!

An einem Tag hören wir in der morgendlichen Gebetszeit: „Bei DIR ist die Quelle des Lebens“.  Das Wort aus Psalm 36 darf in einer langen Stille seine Wirkung entfalten. Da stellen sich dann Bilder ein, Assoziationen, Erfahrungen, Regungen…. Zu meiner Überraschung taucht ein Ort in mir auf, an den ich schon lange nicht mehr gedacht habe: die kleine Quelle auf dem Grundstück meiner Eltern. - Der Zufall will es, dass wir gerade an diesem Tag eine Fahrt in die Oberpfalz geplant haben und so kann ich mich ein wenig an diese Quelle setzen und dort verweilen.

Es ist ein ganz und gar unspektakulärer Ort: ein kleines, steingefasstes Bassin mit Sandgrund vor einer Mauer. Zwischen zwei Trittsteinen hindurch fließt das Quellwasser in die Lauterach ab. Noch bis in die 50er Jahre hinein schöpfte meine Familie und die ganze Nachbarschaft dort das Wasser zum Trinken, zum Kochen, zum Waschen, zum Tränken des Viehs. Meine Mutter erzählt, dass sie und die anderen Kinder direkt aus der Quelle getrunken haben, bäuchlings auf den Trittsteinen ausgestreckt, ohne die Hände zu Hilfe zu nehmen.  

An der Quelle ist es still; sie sprudelt nicht und plätschert nicht. Sie schüttet so unmerklich aus, dass man ganz genau hinschauen muss, um eine Bewegung an der Wasseroberfläche zu erkennen - oder aber ein Blatt hinein werfen, das dann langsam zwischen den Trittsteinen hindurch treibt und hinaus in den Bach. Wenn die Lauterach nach einem Gewitter schmutzig braun fließt, dann ist der Zufluss an reinem Quellwasser gut zu erkennen, ehe sich beides mischt.  

Angestoßen durch das Psalmwort des Tages, wird diese kleine Quelle heute für mich zu einem Bild für Gott, so wie ich ihn erlebe: Unablässig ist er am Werk, verschenkt sich an uns, verströmt sich in uns hinein. Er macht kein großes Getöse, verschreckt und überfordert nicht. Fast unmerklich mischt sich etwas in unser Leben, in unser Suchen, in unser Kämpfen hinein, das nicht aus uns selbst kommt: etwas Frisches, Neues, Reines, Klares. Es verändert unsere Wahrnehmung, unsere Haltung, unseren Umgang mit dem, was uns beschäftigt.  

Bei Exerzitien dürfen wir jedes Mal neu staunen über die Früchte dieser „Gott-Beimischung“:  Menschen kommen zur Ruhe.  Unversehens tut sich ein nächster Schritt auf. Oder es wächst neuer Mut. Eine Anspannung löst sich. Oder ein versöhnter Blick auf eine schwierige Lebensphase wird möglich. - Es lohnt sich also, immer wieder an eine Quelle, an DIE Quelle zu gehen!

Gemeindereferentin Irene Keil, Exerzitienbegleiterin/Geistliche Begleiterin