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01.12.2023

Theologe Bogner zur Synodalität: „Viele dürfen mitberaten, aber nur einige entscheiden“

Foto: Nikolaus Bogner

Der aus dem Bistum Eichstätt stammende und in der Schweiz lehrende Moraltheologe Daniel Bogner blickt zuversichtlich auf Veränderungen in der Kirche. Foto: Nikolaus Bogner

Eichstätt. (pde) – Über die Bedeutung von Synodalität in der Kirche hat der aus Neumarkt in der Oberpfalz stammende katholische Theologe Daniel Bogner auf einer Veranstaltung für Pfarrgemeinderäte der Diözese Eichstätt im Tagungshaus Schloss Hirschberg gesprochen. Mit Blick auf den Synodalen Weg und die Weltsynode erklärt er im Interview: „Was sich in der Kirche bewegen und verändern kann, ist nicht allein davon abhängig, was Rom dazu sagt“. Auch wenn die von manchen erhofften Veränderungen nicht schnell eintreten, verändere sich momentan etwas.

Herr Bogner, „Synodalität“ scheint ein dehnbarer Begriff zu sein. Was bedeutet er konkret in der Kirche von heute und ist damit auch der Synodale Weg gemeint?
Daniel Bogner: Damit wird eine Haltung und ein bestimmter Stil bezeichnet, wie man in der Kirche miteinander umgehen sollte. Es bedeutet, dass man sich, unabhängig von der Rolle, die man einnimmt, gegenseitig zuhören, miteinander nach Antworten suchen und niemanden ausschließen soll. Das ist an sich gut, aber eigentlich etwas Selbstverständliches. In einer hierarchischen Kirche wurde und wird das oft vergessen und muss deshalb erinnert werden. „Synodalität“ im katholischen Sinn meint nicht die Überwindung der hierarchischen Kirchenform. In letzter Instanz heißt das: Viele dürfen mitberaten, aber nur einige dürfen am Ende die Entscheidungen treffen. Der Synodale Weg nimmt die Idee der Synodalität ernst. Er zieht Schlüsse aus dem gemeinsamen Beraten und macht Vorschläge, wie man auch konkret umsetzen könnte, was man für richtig erkannt hat.

„Vatikan will Debatten zu Frauenweihe und Homosexualität stoppen“ lautete eine Schlagzeile in der vergangenen Woche. Die Themen seien nicht verhandelbar, heißt es mit Verweis auf eine offizielle Note aus Rom. Sind damit zwei zentrale Forderungen des deutschen Synodalen Weges definitiv vom Tisch?
Das sehe ich nicht. Was sich in der Kirche bewegen und verändern kann, ist nicht allein davon abhängig, was Rom dazu sagt. Und selbst Rom spricht nicht mit einer Stimme: Der Präfekt der Glaubenskongregation hat einen anderen Zungenschlag als der Kardinalstaatssekretär. Entscheidend aber ist: Es gibt eine Verantwortung für die Kirche, die von allen, die zur Kirche gehören, wahrgenommen werden sollte. Die Debatten zu einer Öffnung des Weiheamtes und zu einer neuen Bewertung von Homosexualität, die am Evangelium selbst Maß nimmt, können nicht einfach gestoppt werden. Sie sind schon weit gediehen und viele qualifizierte Stimmen haben sich daran beteiligt. Das deutet darauf hin, dass es nicht gänzlich gegen den Willen Gottes sein kann, worum es da geht.

Was bleibt vom Synodalen Weg am Ende übrig, wenn Rom bei den Reformvorschlägen blockt und dazu die Bischöfe in Deutschland noch uneins sind, welchen Weg sie gehen wollen?
Man sollte das größere Ganze sehen: Die Katholische Kirche ist Weltkirche und als solche ein dicker Tanker, der sich nicht so schnell bewegen lässt. Es braucht viele, unterschiedliche Kräfte und Impulse, die zusammenwirken. Einige sollten vorangehen und mit Mut und Kompetenz Vorschläge machen, wozu anderen vielleicht die Ressourcen fehlen. Die Weltsynode kürzlich in Rom hat gezeigt, dass weltweit ähnliche Fragen anliegen. Deshalb ist der Synodale Weg ein wichtiger Dienst der deutschen Kirche für die Weltkirche und das sagen viele weltweit.

Der Synodale Rat, der im Entstehen ist, soll unter anderem mehr Mitbestimmung für Laien erreichen. Halten Sie mehr Mitbestimmung zum Beispiel bei Bischofsernennungen für möglich und ist die Idee der Gewaltenteilung mit dem Bischofsamt vereinbar?
Die große Herausforderung heute lautet: Wie lässt sich das geweihte Amt denken, ohne es monarchisch auszulegen? Ich möchte an der sakramentalen Gestalt der Kirche festhalten, und damit an einem Weiheamt. Aber man muss es nicht als „Alleinherrschaft“ verstehen. In der Antike war das naheliegend, aber wir haben heute andere Ressourcen zur Verfügung, auch theologisch. Man könnte sagen: Christus im Amt zu repräsentieren verlangt nach einer Bescheidenheit des repräsentierenden Zeichens – gerade um dem, was da repräsentiert werden soll, gerecht zu werden. Eine solche Bescheidenheit könnte sich ausdrücken in einer Teilung der (Amts-) Gewalten, in einer zeitlichen Begrenzung der Amtszeiten eines Bischofs, aber auch darin, dass man das Kriterium des Geschlechts für die Repräsentation nicht für so ausschlaggebend hält, wie dies bisher noch getan wird.

Das heißt, Sie können sich auch Frauen als Priesterinnen vorstellen.
Ja, ich kann mir das vorstellen. Es ist doch so: Gott wird Mensch. Im geweihten Amt kommt es darauf an, das heilvolle Handeln Gottes im Menschen Jesus von Nazareth zu vergegenwärtigen. Warum sollte eine Frau – von Gott geschaffen und gewollt – dies nicht ausfüllen können? Die Vergegenwärtigung Christi im Amt geschieht ohnehin nur exemplarisch, punktweise, symbolisch, in einem kühnen Vorgriff auf Gottes souveränes Handeln, weil jeder Amtsträger eben – trotz Weihe – auch ein ganz irdischer Mensch bleibt. Es ist überhaupt nicht plausibel, weshalb das Kriterium des Geschlechts einen Unterschied machen sollte. Wir weihen ja auch nicht nur Zimmermannssöhne zu Priestern.

Beim Thema Mitbestimmung der Laien verweisen manche Bischöfe auf bereits existierende Gremien wie Pfarrgemeinderäte, Diözesanrat, Priesterrat usw. Was können solche Gremien bewirken, wenn es um Reformen der Kirche bzw. Veränderungen in der Pastoral geht?
Das Problem ist doch: Es sind „Räte“, man darf dort beraten, aber letztlich, wenn es Spitz auf Knopf käme, nicht mitentscheiden. Der Geweihte ist der Monarch – so sagt es das Kirchenrecht. Glücklicherweise wird es in der pastoralen Praxis oft anders und viel kooperativer praktiziert. Aber keiner der Gläubigen und der Laien hat eine Gewähr auf verbindliche Beteiligung. Es ist gewährte Beteiligung. Und das ist einer Kirche, die von der gleichen Würde aller Getauften spricht, eigentlich unwürdig.

Gibt Ihnen der „Zwischenbericht“ der ersten Phase der Weltsynode Zuversicht, dass bei der zweiten Vollversammlung im kommenden Jahr in Rom große Reformen in der katholischen Kirche beschlossen werden?
Der Verlauf dieses ersten Treffens in Rom hat mich positiv überrascht. Es ist klar geworden, dass die großen Fragen überall weltweit gestellt werden: Wie gelingt eine verbindliche Beteiligung aller? Wie kommen wir bei der Geschlechtergerechtigkeit weiter? Wie können wir Kirche sein in dieser Welt und nicht einfach nur «neben» dieser Welt und im Rückzug? Es ist auch klar geworden, dass die guten und ehrlichen Debatten konkretisiert werden müssen und am Ende in erneuerten Strukturen, einem erneuerten Kirchenrecht, auch in einer erneuerten Theologie vom geweihten Amt Ausdruck finden müssen. Sonst bleibt es beim punktuellen Ereignis. Und viele weltweit erwarten sich substantielle Veränderungen. Interessant ist doch, dass die Deutschen hier gar nicht am weitesten sind, sondern etwa von den Lateinamerikanern überholt wurden.

Sie haben in einem Interview vor etwa zwei Jahren gesagt, „wir brauchen eine Revolution in der Kirche“, „es wäre wichtig, dass die Kirchenmitglieder ihren Schäfchen-Gehorsam ablegen“. Glauben Sie, dass so was passieren kann, wenn die jetzigen Reformbemühungen in Deutschland und in der Weltkirche keine Veränderungen bringen?
Auch wenn die von manchen erhofften Veränderungen nicht schnell eintreten, verändert sich momentan etwas, soviel kann man sagen. Es gibt jetzt schon eine andere Offenheit für kritische Fragen in der Kirche als noch vor wenigen Jahren. Das Problem ist: Die Kultur einer „ständischen Ordnung“, die zwischen Klerus und Laien eine scharfe Linie zieht, lässt sich nicht so schnell austreiben. Es genügt auch nicht, wie Papst Franziskus das offensichtlich noch meint, die Veränderung von Haltung und Einstellung, also ein „synodaler Geist“. Es braucht auch eine erneuerte Lehre! Und das bedeutet: Wir müssen das Amt neu denken, und auch das Verhältnis von Amtsträgern und sogenannten „Laien“. Das kann natürlich schrittweise geschehen und nicht im Schweinsgalopp. Man sollte keine Angst davor haben. Wofür leistet sich die Kirche eine Theologie, wenn sie nicht diese Fragen stellen darf?

Die neue Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung, an der sich erstmals auch die katholische Kirche beteiligt hat, beschreibt eine dramatische Lage der Kirchen in Deutschland: sinkende Kirchenbindung, kaum noch Vertrauen, hohe Austrittszahlen. Ist die katholische Kirche noch zu retten?
Die Frage ist mir eine Nummer zu groß – und deswegen auch irreführend. Letztlich gilt: Es sollte uns nie um die Kirche an sich gehen, sondern um die Botschaft des Gottes, den sie feiert. Ich denke: Die Kirche wird ihre Gestalt ziemlich verändern, es wird noch einiges zerbrechen und zerfallen. Aber zugleich bin ich überzeugt: Die Botschaft des christlichen Glaubens hat auch heute eine solche Kraft, dass sie Menschen wecken und begeistern wird. Es werden sich neue Formen der Nachfolge finden, manchmal in den Ruinen der alten Gebäude, manchmal auch auf ihren Trümmern, und sogar hier und da innerhalb der alten Formen. Das kann Angst machen, muss es aber nicht. Denn es öffnet den Blick dafür, worauf es im Kern ankommt: auf die Botschaft von einem menschenliebenden Gott, gerecht und barmherzig, der uns einen Bund anbietet, dem er treu bleibt. Der uns in Jesus nahe kommt und zeigt, wie Nachfolge gehen kann und man seinem Wort auf der Spur bleibt.

„Der Glaube sagt mir nichts, ich brauche keine Religion“ bekunden 12 Prozent der Katholiken und 13 Prozent der Protestanten in der KMU-Studie. Was müssen die Kirchen tun, um zukünftig noch eine Rolle im Leben der Menschen zu spielen?
Sie sollten diese, zuvor genannte Botschaft ins Zentrum stellen. Sie sollten sich selbst radikal relativieren, indem sie sehen, dass auch Kirche etwas geschichtlich Gewachsenes ist, was man erneuern und verändern darf. Sie sollten darin spürbar machen: Treue zeigt sich gerade im Weitergehen, in der Innovation.

Die Fragen stellte Geraldo Hoffmann

 

Zur Person

Daniel Bogner wurde 1972 geboren und ist Professor für Moraltheologie und Ethik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Fribourg/Schweiz. Er stammt aus dem Bistum Eichstätt, ist in Neumarkt/OPf. groß geworden und war dort in der Jugendverbands- und Ministrantenarbeit tätig.

Von 2000 bis 2006 war er Referent für Menschenrechtspolitik im Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Justitia et Pax); danach Kollegiat am Max-Weber-Kolleg in Erfurt und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Exzellenzcluster „Religion und Politik“ und am Institut für Christliche Sozialwissenschaften der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster.

2019 erschien im Herder Verlag sein Buch „Ihr macht uns die Kirche kaputt... doch wir lassen das nicht zu!“ Am 12. Februar 2024 erscheint dort sein neues Buch „Liebe kann nicht scheitern – Welche Sexualmoral braucht das 21. Jahrhundert?“ Daniel Bogner ist Redaktionsmitglied beim Online-Feuilleton „Feinschwarz“ und außerdem Vater dreier Kinder.

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