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22.04.2024

Kitas als gesellschaftliche Aufgabe begreifen

Foto: Peter Esser/Caritas

Dr. Alexa Glawogger-Feucht, Geschäftsführerin des Verbandes katholischer Kindertageseinrichtungen Bayern (Mitte), und Isabelle Escher-Bier, Leiterin des zuständigen Referates beim Caritasverband Eichstätt, - hier zusammen mit dem Referenten – hatten den Bildungsdialog organisiert. Foto: Peter Esser/Caritas

Eichstätt/Beilngries - „Kitas in Zeiten beschleunigten Wandels und vielfältiger Brüche“: Zu diesem Thema hat Dr. Carsten Wippermann, Professor für Soziologie an der Katholischen Stiftungshochschule München, Campus Benediktbeuern, am Donnerstag im Kloster Plankstettten einen Vortrag beim Bildungsdialog des Referates Kindertageseinrichtungen im Caritasverband Eichstätt und des Verbandes katholischer Kindertageseinrichtungen Bayern gehalten. Daran nahmen gut 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus Einrichtungen im Bistum Eichstätt teil. Die Hauptbotschaft des Soziologen lautete: „Kitas haben eine Schlüsselrolle: Sie sind Ort und Gelegenheit, an denen Kinder und Eltern aus ganz verschiedenen Lebenswelten überhaupt zusammenkommen können.“ Dies bedeute, dass Kitas und deren Fachkräfte ihre Arbeit nicht nur als pädagogische, sondern auch als gesellschaftliche Aufgabe begreifen sollten.

Unterschiedliche Milieus

Dies sei freilich eine große Herausforderung, da die Eltern der Kita-Kinder inzwischen aus ganz unterschiedlichen Milieus mit unterschiedlichen Familienvorstellungen kämen. Der Referent nannte mehrere gesellschaftliche Gruppierungen, denen er verschiedene Rollenverständnisse von Müttern zuordnete: bei Konservativen die „aufmerksame Behüterin“, bei Traditionellen die „fürsorgende Mama zu Hause“, bei Etablierten die „Erziehungsmanagerin“, bei der Bürgerlichen Mitte die „allzuständige Beschützerin und Förderin“, bei Benachteiligten die „Versorgungsmutti“, bei Postmateriellen die „Lebensphasenbegleiterin“, bei Performern die „Projekt-Profi Mama“, bei Expeditiven „die begeisterte Mutter, die sich selbst entdeckt“ und bei Hedonisten die „große Schwester und etwas andere Mutter“.

Diese Milieus konfrontieren Kitas den Worten des Referenten zufolge mit einer „noch vielfältiger und gegensätzlicher gewordenen Elternschaft“. Die Corona-Pandemie habe nicht zu gesteigerter Solidarität geführt, sondern die Aufmerksamkeit für die eigenen Bedürfnisse und die „Unbedingtheit eigener Ansprüche“ gesteigert. Die gelte besonders für Ansprüche an die Betreuung ihrer Kinder. Geduld und Toleranz von Eltern hätten abgenommen. „Je höher ein Milieu positioniert ist, umso weniger geben sich Eltern mit Kompromissen zufrieden“, informierte Wippermann.

Bei einer Untersuchung des Soziologen haben nahezu alle Beteiligten angegeben, dass Kitas eine wichtige Unterstützung für die Erwerbstätigkeit der Mütter sowie auch der Väter sein sollen und dass sich die Öffnungszeiten an deren Arbeitszeiten orientieren sollen. Ganz viele meinten dabei nicht nur, dass eine verlässliche Kinderbetreuung für Frauen die Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhe, sondern auch, dass fehlende Kinderbetreuung negative Konsequenzen für die Existenzsicherung der Familie und die eigene Alterssicherung habe. Knapp 40 Prozent gaben besondere Beteuungsbedarfe an: zum Beispiel, dass kurzfristig oder jederzeit die Möglichkeit besteht, das Kind in die Kita zu geben, ob am frühen Morgen vor sieben Uhr oder am späten Abend nach 18 Uhr. Vor allem aus gehobenen Milieus werde gefordert, dass „die Kita mir selbst Zeit verschafft für meine Berufstätigkeit und deshalb auch für kurzfristige Bedarfe flexibel sein muss“. Von Erzieherinnen werde verlangt, „dass sie sich viel Zeit für mein Kind nehmen“. Der Blick gelte weniger der Gruppe als dem einzelnen Kind: „Keinen Schaden nehmen“, „Risiken minimieren“ und „effektive gezielte Förderung“ lauten laut dem Soziologen die Maximen der Eltern mit Blick auf ihr Kind.

Vor allem Eltern gehobener Schichten, aber auch zunehmend aus der Mitte, entschieden sich bewusst, in welche Kita sie ihr Kind geben. Ausgeschlossen würden dabei häufig Kitas mit Kindern aus Milieus am unteren Rand, mit Kindern mit multiplen Belastungen oder mit Kindern mit mangelhaften Deutschkenntnissen. Die häufig gesellschaftlich geforderte Vielfalt werde nicht als effizient betrachtet. Maßstäbe zur Bewertung von Kitas seien zum einen die ästhetische Anmutung der Einrichtung wie Sauberkeit, Behaglichkeit und Kreativitätsförderung. Zum anderen wird die kommunikative und fachliche Kompetenz der Mitarbeitenden in der Einrichtung für wichtig gehalten.

Pädagogen als Dienstleister

Als Fazit zog Wippermann: „Ohne Orientierung an den verschiedenen Milieus geht es in Kitas nicht mehr!“ Andererseits dürften diese ihre Aufgabe aber auch nicht primär als „kundenorientiert“ begreifen, sondern müssten sie als gesellschaftliche Aufgabe sehen. „Diesen Spagat müssen Kitas aushalten und balancieren“, so der Soziologie-Professor. Pädagogische Fachkräfte müssten sich vor allem selbstkritisch fragen, ob sie sich auf ihre Profession als Pädagoginnen und Pädagogen, also die Arbeit am Kind, zurückziehen oder ob sie das, was sie in der Kita tun, als Dienstleistung zur Erfüllung gesellschaftlicher Aufgaben verstehen.

Quelle: Caritasveband für die Diözese Eichstätt

 

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