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08.07.2024

Darf die KI von der Leine? Positionspapier der KAB

KI-gesteuertes „Haustier“ an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt: Der Roboterhund Spike hört auf Kommandos und kann Emotionen äußern. Foto: upd/Klenk

Eicshtätt - Darf der Mensch alles, was er kann? Ethische Fragen, die sich mit dem Fortschritt in Wissenschaft und Technik auftun, drehen sich momentan vor allem um die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI). Papst Franziskus meldet sich in dieser Debatte regelmäßig zu Wort, so etwa beim G7-Gipfel der Staatschefs in Italien. Der Pontifex kann auch ein Lied davon singen, wie leicht man sich auf per KI gefälschten „Fake-Fotos“ wiederfindet. Dass jetzt auch im Eichstätter Diözesanteil des Magazins „Impuls“ der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) ein künstlich generiertes Bild von ihm erschienen ist, dürfte der Papst allerdings eher begrüßen. Denn das Foto, inklusive ebenfalls KI-generierter Titelstory,  hat  KAB-Diözesansekretär Kurt Schmidt ganz bewusst ins Blatt gesetzt, um unter den Mitgliedern der Eichstätter KAB eine Debatte  über ihre Haltung zu der neuen Technologie anzuregen. Inzwischen liegt der Entwurf eines Positionspapiers vor, der in der nächsten Diözesankonferenz diskutiert werden soll und an dem auch der KAB-Bundesverband Interesse zeigt.

„Wichtig, Stellung zu beziehen“

Am Thema Künstliche Intelligenz, so Schmidt, komme aktuell keine gesellschaftlich relevante Gruppe vorbei. „Wir erwarten eine ebenso tiefgreifende Veränderung durch KI in Arbeitsprozessen, wie in den 80ern des letzten Jahrhunderts durch die Einführung von Personal-Computern und der Digitalisierung in allen Branchen und Bereichen“, heißt es auf der Homepage der Eichstätter KAB. „Um innerhalb der Arbeitnehmerschaft Ängste abzubauen, aber gleichzeitig Gefahren zu erkennen, dazu soll dieses Papier ebenfalls dienen.“ Die KAB, meint deren Diözesanvorsitzender Andreas Holl, „setzt sich schon immer für die Belange von Arbeitnehmenden ein, daher ist es unbedingt wichtig, auch zu KI Stellung zu beziehen."

Machtkonzentration verhindern

Die Initiative dazu war vom langjährigen KAB-ler Karl Solfrank aus Seubersdorf ausgegangen, der sich an viele Aktionen der KAB zum Thema „Arbeit 4.0“ erinnerte. Damals, in den Jahren vor Corona, lag der Fokus bereits auf der fortschreitenden Digitalisierung der Arbeitswelt. Die vorsichtig ins Spiel gebrachte Option, regelmäßig von zu Hause aus zu arbeiten, sollte wenig später pandemiebedingt einen gewaltigen Schub bekommen. Auch KI war da schon in aller Munde. Aber dazu hatte Solfrank bei der KAB noch keine offiziellen Aussagen seines Verbands gefunden. So machte sich Kurt Schmidt daran, bestehende Stellungnahmen nachzulesen, vom Bundeswirtschaftsministerium über die katholische Kirche bis zum Deutschen Gewerkschaftsbund. Zehn Positionen kristallisierten sich dabei heraus. Eine der Kernaussagen lautet, dass es am Ende immer Menschen sein müssen, die letztverantwortlich entscheiden. Und dass KI nicht von sich aus ethisch sein kann, sondern die ethischen Einstellungen seiner Programmierenden in sich trägt. In diesem Zusammenhang spielt der Begriff „Trainingsdaten“ eine wichtige Rolle: Bei der Entwicklung von KI-Systemen werden riesige Mengen an Daten benötigt, die in der Regel aus der realen Welt stammen. „Daher“, so heißt es im KAB-Papier, „ist es äußerst wichtig, darauf zu achten, dass die verwendeten Daten selbst vorurteilsfrei und nichtdiskriminierend sind“.

Wichtig war Schmidt ein Punkt, den er in anderen Positionspapieren nicht gefunden hat: Einige wenige Big Tech-Konzerne, die einst als kleine Startups anfingen, teilten heute fast den ganzen Markt unter sich auf: „Sie verfügen über ungeheure Datenmengen, sehr viel Kapital und Macht. Es ist zu befürchten, dass diese Machtkonzentration sich auch bei KI-basierten Innovationen fortsetzt.“ Deshalb sei eine intensive Überwachung des Marktes notwendig.

Prinzipiell geht es Schmidt so wie den meisten, die über KI nachdenken: Sie erkennen Risiken wie auch Chancen. Das Rad zurückzudrehen sei ohnehin nicht mehr möglich, „da würden wir uns aus dem Rhythmus der Welt komplett entfernen“. Außerdem habe Künstliche Intelligenz bei vielen Handynutzern längst Einzug gehalten, verweist der KAB-Sekretär auf KI-basierte Sprachübersetzung, mit deren Hilfe er kürzlich am Nürnberger Bahnhof einem jungen Afghanen Auskunft in dessen Muttersprache geben konnte. KI, die blitzschnell riesige Datensätze abgleicht, sei hilfreich, wann immer es um Mustererkennung gehe – in der Medizin ebenso wie etwa in der Rekonstruktion altägyptischer Hieroglyphen. Auch das perfekte Aussteuern von Solarstrom- Speicherung und -Verbrauch könne „eine kluge Anwendung“ sein.

Medienkompetenz vermitteln

Jedoch sei das, was heute schon Anwendung finde, die „schwache“ KI. „Das wovor alle Angst haben, ist dagegen die starke KI.“ Sie entstehe, wenn immer mehr Datenbanken miteinander verschaltet würden, „wenn nicht der Mensch in bestimmten Teilen imitiert wird“, sondern wenn nicht mehr erkennbar sei, ob da ein Mensch oder eine Maschine am Werk ist. Das fange beim berüchtigten Telefonbetrug mit KI-generierten Stimmen vermeintlicher Verwandter an und höre bei der Gefährdung der Demokratie durch Fakenews und Filterblasen auf. Was Schmidt zu einem weiteren Punkt im KAB-Positionspapier führt: die Aufnahme von „Medienkompetenz“ in die schulischen und beruflichen Lehrpläne und in die Erwachsenenbildung.

„Ich bin kein Verweigerer“

„Am Ende des Tages muss jeder wissen, dass das was er hört und sieht nicht unbedingt echt ist“, meint auch Steffen Bremmert, Diözesansekretär der KAB-Jugendorganisation CAJ. „In zehn Jahren wird das vielleicht sogar die Mehrheit der Inhalte sein“. Bremmert, der am neuen Positionspapier der KAB mitgearbeitet hat, beschäftigte sich schon vor 15 Jahren im Studienfach Sozialinformatik mit der Frage, wie Digitalisierung im Alltag eingesetzt werden kann, damals im Seniorenbereich. Heute arbeitet er mit einer Zielgruppe, die mit künstlicher Intelligenz aufwächst und wenig Angst davor zeigt. Die junge Theologin und KI-Expertin Dr. Anna Puzio blickte in einem Interview kürzlich skeptisch auf die technikskeptische Perspektive in westlichen Kulturen und verglich dies mit Japan, wo bereits Kinder Technik als Freund oder Freundin erlebten. Ein ganz und gar abwegiger Gedanke? Nein, meint Bremmert und verweist auf ein altbekanntes Phänomen: „des Deutschen liebstes Kind“, das Auto.

„Ich bin kein Verweigerer“, sagt Karl Solfrank, fast 70, über seine Einstellung zur KI. Gerade Ältere, Stichwort Pflege, könnten davon profitieren. Aber es bedürfe klarer Regeln. Nachdenklich macht ihn, dass es seit Jahren beim Militär Flugabwehr-Systeme gibt, die selbsttätig Freund-Feinderkennung betreiben. Dass KI  nach diesem Muster einmal letztlich selbst bewertet, sich selbst reproduziert in nicht mehr kontrollierbarem Maß – davor, gesteht Solfrank, „habe ich Angst“.

Gabi Gess für [inne]halten – Die Kirchenzeitung für das Bistum Eichstätt

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